1. August-Rede in Urdorf

Geschätzte Damen und Herren, liebe Urdorferinnen und Urdorfer, liebe Gäste

Warum sprechen Politikerinnen und Politiker eigentlich so oft und so lange?

Weil sie hoffen, dass, wenn sie nur lange genug reden, irgendwann mal etwas Sinnvolles dabei herauskommt!

Ich freue mich riesig und bedanke mich für die Einladung hier nach Urdorf und die Ehre, heute einige Worte an Sie richten zu können. So ganz zurücklehnen dürfen Sie sich jedoch nicht: Das Thema meiner Rede werde ich Ihnen erst am Ende verraten – und sie dürfen gerne mitraten und mitdenken. Kleiner Tipp: Es handelt sich um ein einzelnes Wort, beginnend mit dem Buchstaben «H».

Typischerweise handelt die Erstaugustrede von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen. Doch wo soll man dieses Jahr starten? In den letzten Jahren reiht sich Krise an Krise, Extrem an Extrem, Schlagzeile an Schlagzeile. Eins haben diese „News“ jedoch gemeinsam: Sie sind alle ernst. Nichts zum Lachen, keine „Good News“ und neben einer verkehrt aufgehängten Olympia-Flagge oder die Auftritte am Eurovision Songcontest auch selten etwas Komisches. Das Thema meiner Rede ist gewissermassen das Gegenteil der aktuellen (internationalen) politischen Lage.

Bleiben wir beim Ausland: Ähnlich wie in der Schweiz sind Däninnen und Dänen nach meiner Erfahrung sehr strebsam. Doch sie gehen mit unserem Thema meiner Ansicht nach besser um. Das Wort «hygge» – H Y G G E – ist nämlich Kernbestandteil der dänischen Tradition und Lebensweise. Es bedeutet eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens zusammen mit lieben Leuten geniesst. Das warme Licht der Kerzen, ein Spieleabend mit der Familie oder ein Sprung in den kühlen See mit Freunden – das alles ist Hygge, und eben ein Teil meines Themas.

Die Schweiz ist bekannt für ihre ernste Neutralität, ihre beeindruckende Landschaft und ihre politische Stabilität. Doch gerade unser Nationalfeiertag beschreibt die Stimmung, die mit unserem Thema verbunden ist, wunderbar. Schon die erste Bundesfeier 1891 im Rahmen des 600-jährigen Jubiläums des Bundesbriefs war geprägt von Festlichkeiten, Feuerwerken und Umzügen. Das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit, das bis heute – auch hier in Urdorf – entsteht, ist der Grundstein für viel Gutes in der Schweiz.

Ich selbst assoziiere das Thema besonders mit der fünften Jahreszeit. Bereits als Kind habe ich mich schon im September auf die Fasnacht gefreut vor allem auch auf die Süssigkeiten von den Wagen – und entsprechend Pläne geschmiedet. Einmal wollte ich beispielsweise Kapitänin sein, inklusive selbstgebautem Schiff! Das habe ich umgesetzt und dann auch mindestens 3 Minuten mit mir herumgetragen. Dann war das Spielen doch wichtiger als das Verkleiden. Ich habe mir sagen lassen, dass Sie hier in Urdorf eine der grössten, farbigsten und bedeutendsten Umzüge im Kanton haben – vielleicht bin ich nächstes Jahr eingeladen? Auf jeden Fall passt die Fasnacht zu unserem Thema wie die Faust aufs Auge.

Sind Sie Teil eines (anderen) Vereins, kennen Sie das Wort aber auch gut. Besonders nach einem langen Turnfest, einem anstrengenden Feuerwehreinsatz oder einem Samaritereinsatz – mit einem kühlen Bier oder einem feinen Glas Wein lebt es sich doch ganz entspannt. Solche Momente möchte man nicht missen, oder? Deshalb liebe ich das Vereinsleben, ich bin selbst Teil von vielen verschiedenen. Das entspannte Beisammensein und der lockere, ungezwungene Austausch – genial.

Und, haben Sie schon eine Idee? Nein, das gesuchte Wort ist nicht «Humor», aber ganz ähnlich. Das Wort zum ersten August ist: Heiterkeit. Heiter sein ist etwas, was für mich im Alltag zu kurz kommt. Das Leben nicht so ernst nehmen, sich über kleine Dinge freuen – dem Abschiedskuss der Kinder am Morgen, das nette Lächeln der Bäckerin, ein Schmetterling, der vorbeifliegt. Zur Heiterkeit gehört auch eine gewisse Gelassenheit. Das eine geht ohne das andere nicht. Unheitere Gelassenheit ist Gleichgültigkeit. Natürlich gibt es jedoch ernste Themen, die man nicht kleinreden oder vergessen sollte. Was Grenzen im negativen Sinne überschreitet, andere in ihrer Freiheit einschränkt oder Schlechtes in die Welt bringt, sollte adressiert und entsprechend darauf reagiert werden. Nietzesche sagte dazu: «Seines Todes ist man gewiss, warum soll man nicht heiter sein?» Griesgrämig und ernst durch die Welt zu spazieren und den anderen den Tag vermiesen, macht weder einem selbst noch den Mitmenschen Freude, noch ändert es etwas an tragischen Situationen. Deshalb ermutige ich Sie: Seien sie gelassen. Seien sie optimistisch. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen zum diesjährigen 1. August: Viele heitere Stunden. Vielen Dank.

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Viviane Kägi

Co-Präsidentin GLP Bezirk Winterthur